A5. Dissertation, Diagrammatisches Erzählen‘
Axes 1 et 3

Article publié le
  • Responsable : Adriano Montefusco
  • Période : 2017-2022 (soumise en février 2022 ; défense en septembre 2022)
  • Financement : Université de Fribourg (2017-2018), HEP | PH FR (2019-2022)

In den historischen Phasen des Leitmedienwandels emergieren spezifische und neuartige Formen narrativer Textgestaltungen. So werden z. B. beim Übergang von mündlichem Erzählen zu schriftlichem Erzählen in der deutschen Volkssprache des Hochmittelalters neuartige Erzählstrategien greifbar, die ihren Ursprung in sich verändernden Kulturtechniken und epistemologischen Verfahrensweisen haben. Das Projekt widmet sich dem Verständnis des poetologischen wie des epistemologischen Anspruchs Gottfrieds von Strassburg und seiner narrativen Umsetzung im Tristan-Roman. Die Studie setzt an bei markiert aus dem Textganzen hervortretenden Stationen einer analysierenden und synthetisierenden Erzählstrategie, die von Gottfried als Abwandlung des klassisch-rhetorischen Beschreibungsverfahrens entwickelt wird. Mit Blick auf die poetologischen Exkurse sowie implizit im Werk verhandelte Reflexionen literarischer Ideale wird deutlich, dass Gottfrieds Erzählen einen erkenntnisleitenden Anspruch geltend macht, der an der Bildung der Rezeptionsgemeinschaft mitwirken soll. Erreicht wird diese Leistung über die Modellierung diagrammatischer Zeichenprozesse, die Gottfried mittels seiner Erzählstrategie – einem didaktisierenden Aufbau folgend – in der Hauptgeschichte des Romans an den Protagonistenfiguren, an ausgewählten Handlungshergängen und poetologisch lesbaren Gegenständen entfaltet. Diese erzählten Ganzheiten werden in anspruchsvoller Weise Teilungs- und Auffächerungsvorgängen unterzogen und exemplifizieren damit über das Medium erzählter Bildlichkeit Konfigurations- und Rekonfigurationsprozeduren, die ihrerseits Schlussfolgerungsprozesse anstossen und Verstehen ermöglichen.

Adriano Montefusco bringt diese erkenntnisleitende Erzählstrategie Gottfrieds auf den Begriff des ‚diagrammatischen Erzählens im engeren Sinne‘, welches er von einem ‚diagrammatischen Erzählen im weiteren Sinne‘ abgrenzt und damit eine heuristische Unterscheidung in den noch jungen Diskurs zur narrativen Diagrammatik einführt. Unter Rückgriff auf die Peircsche Zeichentheorie und Nelson Goodmans ästhetische Epistemologie gelingt es, Gottfrieds ‚Denkschule‘, die er über sein diagrammatisches Erzählen anschaulich vermittelt, als Welterzeugungsmodus begreifbar zu machen, in den Rezipienten eingeführt werden und den sie schliesslich im Rahmen literarischer Anschlusskommunikation kollektiv fortführen sollen.

Mots-clés : Épistémologie, techniques culturelles, lecture esthétique et littéraire, narratologie, poétologie, diagrammatologie