Aushandlungsprozesse islambezogenen Wissens bei Moscheebesuchen durch Schulklassen
Leitung: Petra Bleisch (HEP|PH FR)
Mitarbeit: Andrea Friedli (HEP|PH FR), Zelifa Sungur-Kam (HEP|PH FR)
Projektpartner: Hansjörg Schmid (UNIFR)
Finanzierung: SNF
Zeitraum: 2024-2028
Der Besuch einer Moschee ist für einige Schulklassen in der Schweiz Teil des religionskundlichen Unterrichts in der öffentlichen Schule. Moscheebesuche ermöglichen, das religiöse Alltagsleben in der Umgebung zu erkunden, wie das der Lehrplan 21 vorschlägt. Zudem sind Moscheebesuche in den gängigen Lehrmitteln vorgesehen (Blickpunkt 3).
Inhalt und Ziel des Forschungsprojekts
Bislang ist wenig darüber bekannt, wie Moscheebesuche durch Schulklassen ablaufen und was für ein islambezogenes Wissen Schüler:innen dabei erwerben. Ein erstes Ziel des Projekts ist es, diese Besuche genauer zu beschreiben und dabei den Kontext mit einzubeziehen. Auf der Seite der Schule wird genauer untersucht, wie der Moscheebesuch in den schulischen Unterricht eingebettet ist (Teilprojekt Schule). Auf der Seite der Moschee wird genauer angeschaut, wer diese Besuche durchführt und wie diese vor- und nachbereitet werden (Teilprojekt Moschee). Dabei wird der Moscheebesuch als ein Schnittpunkt von zwei Feldlogiken (Bourdieu, 1996) betrachtet: dem pädagogischen Feld (Buchardt, 2014) der Schule und dem islamischen Feld (Akca, 2020) der Moscheegemeinschaft.
Lehrplan und Lehrmittel gehen davon aus, dass Moscheebesuche dabei helfen, «den Islam» und muslimische Menschen in der Schweiz besser zu kennen und zu verstehen. Diese Besuche sollen entsprechend zu einem friedlicheren Zusammenleben beitragen. Erste Erkenntnisse aus anderen Projekten deuten aber eher darauf hin, dass durch solche Besuche stereotype Vorstellungen von Muslim:innen verstärkt werden (Haubach & Salentin, 2015). Im Sinne eines kulturwissenschaftlichen Ansatzes geht das Projekt davon aus, dass alle am Besuch beteiligten Akteur:innen (Moscheeführung, Lehrperson, Schüler:innen) ihr je eigenes Islamwissen in die Begegnung mitbringen. Ein zweites Ziel des Projekts ist es deshalb, genauer zu erfassen, wie die beteiligten Akteur:innen Wissen über Islam aushandeln und was für ein Islam dabei konstituiert wird.
Wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kontext
Mit dem kulturwissenschaftlich-ethnografischen Ansatz leistet das Teilprojekt Schule einen Beitrag zur Erforschung von ausserschulischen Lernorten und zu einem vertieften Verständnis, wie Islam im Unterricht der öffentlichen Schule zum Thema wird (Bleisch & Desponds, 2021). Das Teilprojekt Moschee seinerseits trägt dazu bei, zu verstehen, wie sich religiöse Minderheiten in der Schweizer Gesellschaft verorten und wie Diversität gesellschaftlich ausgehandelt wird. Die Ergebnisse des Projektes bieten eine Grundlage für die Ausarbeitung von fachdidaktischen Vorschlägen zu Moscheebesuchen durch Schulklassen.
Literatur:
Akca, A. (2020). Moscheeleben in Deutschland. Eine Ethnographie zu Islamischem Wissen, Tradition und religiöser Autorität. Transcript.
Bleisch, P. & Desponds, S. (2021). Trouver la place des élèves « musulman·e·s » lors de l’enseignement de la culture religieuse à l’école primaire publique : analyse des pratiques enseignantes déclarées de « normalisation ». Zeitschrift für Religionskunde | Revue de didactique des sciences des religions, 9, 25-47.
Bourdieu, P. (1996). Die Logik der Felder. In P. Bourdieu & L. Wacquant (Hrsg.), Reflexive Anthropologie (S. 124-147). Suhrkamp.
Buchardt, M. (2014). Pedagogized Muslimness: Religion and Culture as Identity Politics in the Classroom. Waxmann.
Haubach, C. & Salentin, K. (2015). Moscheebesuche. Erfahrungen von Nicht-Muslimen. (Working-Paper 04). Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung. https: //pub.uni-bielefeld.de/publication/276777