FE EADS
Lehren und Lernen wissenschaftlicher Fächer

Thematik des F&E-Programms

Die Forschungseinheit EADS beschäftigt sich mit Problematiken rund um das Lehren und Lernen wissenschaftlicher und technischer Fächer (W&T), also um die «Wissenschaften der empirischen Realität» (Soler, 2009), die darauf abzielen, Interpretationen der natürlichen, menschlichen, sozialen oder technischen Welt zu produzieren. Zu diesen Wissenschaften zählen Mathematik, Naturwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Gestaltungswissenschaften.

Problematik 1: Akkulturation von Schülerinnen und Schülern an wissenschaftliche und technische Fächer

Hauptziel der Projekte in dieser Einheit ist es, Schülerinnen und Schüler (SuS) im obligatorischen Unterricht an W&T-Fächer zu akkulturieren (Grancher, Lhoste & Schneeberger, 2015), indem ihnen der Zugang zu dem für den Aufbau eines neuen Weltverständnisses nötigen «ausserordentlichen Wissen» (Astolfi, 2008) eröffnet wird. Der Erwerb dieses Wissens erfolgt insbesondere durch die Umsetzung der Vorgehensweisen, die den jeweiligen Fächern eigen sind, wie das Problemlösen in der Mathematik, das Untersuchen in Naturwissenschaften, Geografie und Geschichte und die Gestaltung in Kunst und Technik. Unterstützt werden diese Vorgehensweisen durch integrative pädagogische Ansätze wie Interdisziplinarität, Projektorientierung, Erlebnispädagogik oder auch pädagogische Escape Games. Mit diesen Vorgehensweisen und Ansätzen sollen die SuS dazu gebracht werden, sowohl generische (komplexe, kritische, kreative usw.) Denkweisen zu entwickeln als auch fachspezifische «Arten des Handelns-Sprechens-Denkens» (Jaubert et al., 2004), was zur Bildung «fachspezifischer schulischer Diskursgemeinschaften» («communautés discursives disciplinaires scolaires», Bernié, 2002) zwischen Lehrpersonen und SuS im didaktischen System der Klasse beiträgt.

Problematik 2: Staatsbürgerliche Bildung der SuS aus integrativer Perspektive in wissenschaftlichen und technischen Fächern

Die Akkulturation der SuS an W&T-Fächer ist vor dem Hintergrund des Anthropozäns zu verstehen (Lange, 2020), das wir trotz der aktuellen Debatte in der wissenschaftlichen Gemeinschaft als eine totale soziale Tatsache (Beau & Larrère, 2018) betrachten, die die Menschheit dazu drängt, alternative Lebensweisen zu finden, um ihre Auswirkungen auf die Biosphäre zu reduzieren. Dieses Paradigma bedingt die Notwendigkeit, im Unterricht fächerübergreifend Ansätze mit transformativer Absicht einzusetzen, die eine kritische und engagierte Haltung der Akteur·innen fördern (Barthes, Lange & Tutiaux, 2017), und zwar durch den besonderen Fokus auf die Entwicklung von Handlungsfähigkeit («agency») bei den SuS. Diese Ansätze ermöglichen die Heranbildung «gerechtigkeitsorientierter Bürger·innen» (Westheimer & Kahne, 2004ab), also von Bürger·innen, die über die notwendigen Denkwerkzeuge verfügen, um die Welt in ihrer Komplexität zu begreifen (Lange & Martinand, 2010), gesellschaftliche Transformationen durch faire kollektive Regelungen (Lange & Keibili, 2020) mitzugestalten und dabei die ganze lebendige (menschliche und nichtmenschliche) Welt gleichermassen zu berücksichtigen (Slimani et al., 2021). Besondere Aufmerksamkeit gilt denjenigen Ansätzen, die unter «Erziehung zu» («éducations à», Audigier, 2009) fallen und hierbei insbesondere unter «Bildung im Anthropozän», die politischer Bildung («éducation au politique», Barthes, 2022) den Weg bahnt.

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Schwerpunkte

Die beiden miteinander verknüpften Hauptproblematiken, die die Thematik der FE EADS begründen, sind in drei Forschungs-, Entwicklungs- und Vermittlungsschwerpunkte gegliedert, die zusammenwirken und sich nicht gegenseitig ausschliessen.

Schwerpunkt 1: Begleiten und Dokumentieren der beruflichen Entwicklung von (angehenden) Lehrpersonen in Bezug auf W&T-Akkulturation und staatsbürgerliche Bildung bei SuS

Mit diesem Schwerpunkt werden die beiden Hauptproblematiken der FE EADS in Bezug gebracht zur beruflichen Entwicklung von (angehenden) Lehrpersonen innerhalb des metadidaktischen Systems, also in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen. Das Hauptziel besteht darin, die beruflichen Kompetenzen dieser Akteur·innen hinsichtlich eines problematisierenden Unterrichtens von W&T-Fächern zu entwickeln. Dabei geht es insbesondere darum, am Aufbau von «Berufswissen» («savoirs métier», Brière & Simonet, 2021) mit und für Lehrpersonen mitzuwirken, um Letztere in die Lage zu versetzen, didaktisch solide und dem Wissenserwerb bei SuS förderliche Unterrichtssequenzen zu konzipieren, zu analysieren und umzusetzen. Im Rahmen partizipativer Forschung werden in verschiedenen Wissensgebieten «Communities of Practice» (Wenger, 1998) unterschiedlicher Ausprägung gebildet, um den Aufbau dieses innovativen Berufswissens zu ermöglichen, das sich aus einer «wechselseitigen Befruchtung von Erfahrungswissen und Forschungswissen» (Vinatier & Morrissette, 2015) ergibt. Die Berufspraxis wird mit komparativen Ansätzen (vergleichende Didaktik) (Mercier, Schubauer-Leoni & Sensevy, 2002) analysiert, um die berufliche Entwicklung der Akteur·innen situationsgemäss zu dokumentieren.

Schwerpunkt 2: Analyse von amtlichen Dokumenten und didaktischen Materialien sowie Koproduktion innovativer didaktischer Materialien zur Akkulturation der SuS an W&T-Fächer

In diesem Schwerpunkt werden die beiden Hauptproblematiken der FE EADS eingebunden in den Kontext der Analyse amtlicher Dokumente (z. B. Lehrpläne, von arbeitgebenden Dienststellen ausgegebenes Begleitmaterial) und didaktischer Materialien (z. B. obligatorische Lehrmittel) sowie in den Kontext der Koproduktion innovativer didaktischer Materialien durch eine breite Vielfalt an Akteur·innen in kooperativer Forschung. Die gemeinsame Produktion solcher didaktischen Materialien erfolgt namentlich im Rahmen von «kooperativem didaktischem Engineering» (Morales, Sensevy & Forest, 2017) mit Lehrpersonen der obligatorischen Schule, Forschenden an Pädagogischen und universitären Hochschulen sowie an Fachhochschulen (z. B. Hochschule für Ingenieurwissenschaften) und pädagogischen Mitarbeitenden arbeitgebender Dienststellen.

Bei solchen Forschungs- und Bildungsmassnahmen liegt der Fokus auf dem Austausch kultureller und technischer Werkzeuge zwischen Akteur·innen einer Gemeinschaft und auf der Suche nach geeigneten Lösungen für berufliche Probleme durch eine «Instrumentierung des Denkens» (Wygotski, 1997/1934). Dies führt zu einer «Problematisierung der Berufspraxis» (Prével, 2018), durch die sichergestellt wird, dass die durch Erfahrung erworbenen Fachkenntnisse (Erfahrungswissen) in formalisierte didaktische Kenntnisse (Berufswissen) umgewandelt werden (Brière & Simonet, 2021). Es werden vergleichende Analysen amtlicher Dokumente und didaktischer Materialien erstellt sowie Analysen der Modalitäten und Rahmenbedingungen für die gemeinsame Produktion innovativer didaktischer Materialien in einem Engineering-Modus.

 

Schwerpunkt 3: Analysieren und Modellieren der Unterrichtspraktiken von Lehrpersonen in Bezug auf W&T-Akkulturation und staatsbürgerliche Bildung bei SuS

In diesem Schwerpunkt werden die beiden Hauptproblematiken der FE EADS aus dem Blickwinkel der Analyse der Unterrichtspraxis von Lehrpersonen in das didaktische System der Klasse eingebunden. Die entsprechenden Daten stammen aus verschiedensten Quellen (Fragebögen, Einzel- oder Gruppengespräche, Videomitschnitte von Unterrichtsstunden, Artefakte aus dem Unterricht usw.) und werden für die Produktion von Feininterpretationen zu diversen didaktischen Phänomenen einer Triangulation unterzogen. Je nach den gesteckten Zielen werden qualitative und quantitative Analysen oder eine Kombination aus beiden Formen durchgeführt. Dabei kann es sich beispielsweise um inhaltliche Analysen zu von Lehrpersonen angegebenen Unterrichtspraktiken auf der Basis von Daten aus Fokusgruppen handeln, um Analysen tatsächlich beobachteter Unterrichtspraktiken aus einer multidimensionalen Perspektive mithilfe der Theorie der gemeinsamen Aktion in Didaktik (Sensevy & Mercier, 2007) oder auch um Analysen der Modalitäten der Verwendung von Unterrichtsmitschnitten in Weiterbildungen für Lehrpersonen.

Die Akkulturation der SuS an wissenschaftliche und technische Fächer ist vor dem Hintergrund des Anthropozäns zu verstehen, das wir als eine totale soziale Tatsache (Beau & Larrère, 2018) betrachten, die die Menschheit dazu drängt, alternative Lebensweisen zu finden, um ihre Auswirkungen auf die Biosphäre zu reduzieren

Justine Letouzey-Pasquier
Assoziierte Professorin PH und Co-Leiterin der FE EADS
justine.letouzey@edufr.ch

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